[Nachgereichter Beitrag über das Debütkonzert des KonzertChor Stuttgart im Beethovensaal am 17. Nov 2019]
Gleich drei große für sich stehende Werke setzte der neue künstlerische Leiter dem KonzertChor Stuttgart auf das Programm: Edward Elgars „From the Bavarian Highlands“, Alexander von Zemlinskys „Frühlingsbegräbnis“ sowie Felix Mendelssohn Bartholdys „Die erste Walpurgisnacht“.
Beeindruckend allein die optische Synchronität beim Auftritt
des Chores auf der Chorempore des Beethoven-Saals. Dynamischen Schrittes
betritt Großberger die Bühne und ein beeindruckender Abend nimmt seinen Lauf.
Die selten aufgeführten „Scenes From the Bavarian Highlands“ aus der Feder von
Edward Elgar basieren auf dem Gestus bayrischer Volksmusik und bieten dem rund
120 Sänger/innen umfassenden Chor wunderbare Gelegenheit, sich und damit auch
den Stuttgarter Liederkranz im neuen Gewande zu präsentieren. Dem Chor gelang
auf Anhieb, die komponierte Lebensfreude aus sich erahnen lassenden Schuhplattler-Rhythmen
ins Parket zu übertragen. Die symphonische Größe der Miniaturen ist spätestens im
letzten Satz „The Marksmen“ deutlich zu vernehmen. Effektvoll illustriert Elgar
Jahrmarktszenen, die untergehende Sonne und das Triumphieren der Schützen:
Endend in britischer Manier ausladender Hymnen beweist der KonzertChor bereits
in den ersten 25 Minuten auf der Bühne Agilität, Klangpracht und Feinsinnigkeit.
Eine noch größere Herausforderung, sowohl stimmtechnischer als auch klangästhetischer Art stellt das „Frühlingsbegräbnis“ von Alexander von Zemlinsky dar. Paul Heyses Text bildet die Grundlage für dieses erstaunliche Werk, in welchem der Frühling als „schöner Jüngling“ durch die ersten Sonnenstrahlen erstarrt und von Tieren und Feen zu Grabe getragen wird. Dreifach besetzte Bläser im Orchester gepaart mit Zemlinskys Fähigkeit farbenprächtiger Instrumentierung, spätromanischer Harmoniesucht und groß angelegter Crescendi, Accelerandi sowie endlos langer Melodiebögen stellen nicht nur den Chor, sondern auch die Solisten (Judith Gauthier, Sopran; Hans Christoph Begemann, Bariton) und den Dirigenten vor große Herausforderungen. Mit außerordentlicher Spielfreude und Farbenpracht musizieren die Mitglieder des Staatsorchesters, folgen Großbergers Dirigat in jeder Nuance und bereiten dem Chor einen Teppich, um darüber hinweg zu brillieren. Ein Wagnis, ein solches Werk auf das Programm zu setzen, zumal in der groß angelegten Werbekampagne für den im Januar 2019 neu gegründeten KonzertChor Stuttgart noch keinesfalls klar sein konnte, wie sich der Chor im Laufe des Jahres entwickeln würde. Der Plan jedoch geht auf: Der KonzertChor Stuttgart steht nahezu an jeder Stelle über den Herausforderungen dieses grandiosen Werkes.
Nach der Pause erklingt Felix Mendelssohn Bartholdys „Die erste Walpurgisnacht“ (Text: Johann Wolfgang von Goethe). Passend zum Konzerttitel, wurde der Frühling bei Zemlinksy zu Grabe getragen, so erwacht er nun zu Beginn der Walpurgisnacht erneut. „Es lacht der Mai, der Wald ist frei von Eis und Reifgehänge“ brilliert der Frauenchor, der schon seit Beginn des Konzertabends durch leichte Höhen, aber auch durch die Fähigkeit zum dramatischen Klang bezaubert. Chor, Orchester und Dirigent scheinen in ihrer Musizierfreude nicht zu ermüden, im Gegenteil. Es ersteht der Eindruck, als würde der KonzertChor Stuttgart die Bühne am liebsten gar nicht verlassen wollen. Die Herren präsentieren sich hervorragend und duellieren sich mit Bariton Hans Christoph Begemann in Strophe 5 „Kommt mit Zacken“. Die hohe Textverständlichkeit zeugt von Lust an Sprache, ohne jedoch bestmöglichen Klang zu vernachlässigen. Packend und fesselnd musizieren die Sängerinnen und Sänger Strophe 8. Zunächst besingen die Herren, dann die Damen und anschließend gemeinsam, die Lust zur Intrige „Wie den Teufel den sie fabeln“. Schlussendlich erklingt Strophe 12 in strahlend andauerndem, licht- und energiedurchfluteten C-Dur – Reinheit gepaart mit Energie und Kraft sorgen zu guter Letzt für tosenden Beifall.
Sängerinnen und Sänger überzeugen auf ganzer Linie. Man kann nur erahnen, wie viel Arbeit investiert worden sein muss, um dieses neu gegründete Ensemble so einheitlich erklingen zu lassen. Die dynamischen Fähigkeiten sowie die Musizierlust überzeugen. Großbergers Wagnis, diese drei Werke auf das Programm zu setzen, jedes mit seinen eigenen Ansprüchen und Herausforderungen, ist gelungen!
Vom KonzertChor Stuttgart wird man noch vieles hören, so ist zu hoffen und der Stuttgarter Liederkranz 1824 e. V. hat mit seinen nun insgesamt vier Ensembles den richtigen Weg in die Zukunft eingeschlagen.
Chapeau für alle Beteiligten!